Freitag, 27. September 2013

Das Verschwinden des Geldes

Digitalisierung bedeutet, dass unsere Welt weniger gegenständlich wird. Meine Bücher und meine Musik kaufe ich schon lange als Download. Letztere muss ich als Spotify-Kunde nicht mal unbedingt runterladen, sondern streame. Und Spotify hat inzwischen richtig gute Vorschläge, was ich sonst mögen könnte - das System schätzt meinen schlechten Geschmack gut ein und hat ein treffendes Profil über mich erstellt. Gleichzeitig erhalte ich von amazon immer wieder Nachrichten, was denn von Interesse für mich sein könnte, wo ich doch letztens nach so Dingen gesucht habe (wir Autoren beeimern uns immer wieder, wenn uns die eigenen Bücher vorgeschlagen werden). Und Google weiß sowieso alles über mich.
Wem erst durch die NSA-Affäre bewusst geworden ist, dass wir digitale Spuren hinterlassen, ist ziemlich naiv. Und dass das Thema bei der Wahl kaum eine Rolle gespielt hat, beweist nicht etwa, dass das Thema doch nicht so wichtig wäre, sondern dass die meisten Leute es schlicht nicht verstehen und nicht die Tragweite einschätzen können. Ich selbst tausche bis zu einem gewissen Grad mein Online-Profil gegen Bequemlichkeit ein, aber dabei ist mir bewusst, dass ich zu diesem ominösen Wesen werde, von dem die Nachrichten immer wieder erzählen: dem Verbraucher.
Als Digital-Verbraucher bin ich viel leichter zu durchschauen als jemand, der im Supermarkt, in der Buchhandlung oder im CD-Laden einkauft. Ich knalle Geld hin, bekomme die Ware. Die Verkäufer erinnern sich allerhöchstens an mein Gesicht. So was wie Kundenprofile gibt's nicht - der Händler weiß nur, wie viel er von etwas verkauft hat. Stammkunden kann er einschätzen und ihnen Tipps geben. Im Einzelhandel nutzen wir - auch ich - natürlich die EC- oder Kreditkarte. Da wird der Kauf schon nachvollziehbarer. Eine Kartennummer ist daran gekoppelt - und damit auch ein Name.

Worauf ich hinauswill?

Während ich dieser Tage so vor mich hinjoggte, wurde mir bewusst, dass Mobile Payment mehr ist als die Fortsetzung des Kartenzahlens mit anderen Mitteln.
Ich wäre der Erste, der begeistert immer und überall mit dem Handy bezahlt, statt immer den Geldbeutel mitschleppen zu müssen, der wegen der Bonuskarten von Bäcker, Café und Friseur sowieso unnötig aufgebläht ist. Ist doch praktisch in der Theorie - einfach das Handy ans Terminal, klick, fertig. Dass sich das noch nicht durchgesetzt hat, kann nur daran liegen, dass niemand an den Verkaufsorten gern in eine neue technische Infrastruktur investieren möchte und dass niemand von Verkäuferseite Lust hat, noch eine zusätzliche Gebühr an Telefongesellschaften oder sonstige Dienstanbieter abdrücken möchte.
Aber wenn es doch so wäre, dass immer und überall mit dem Handy bezahlt werden kann, dann werden wir es tun. Weil es so einfach ist. Gerade bei kleinen Einkäufen, bei denen wir nicht die EC-Karte verwenden.
Vielleicht verschwindet das Bargeld ja komplett.
Das bedeutet, dass jeder klitzekleine Transfer eine digitale Spur hinterlässt.
Und ich dachte: warum sollten wir das wollen?

Da meldete sich die paranoide Stimme in mir: Vielleicht gibt es ja Instanzen, die gar nichts dagegen hätten, wenn diese Spuren vorhanden wären. Wenn dieses unpraktische Münz- und Scheingeld komplett obsolet wäre. Das könnte man doch sogar total positiv verkaufen: unser Alltag ist leichter geworden, alles ist nachvollziehbar und damit viel sicherer für den Verbraucher. Keine Betrügereien mehr. Keine Schwarzarbeit. Keine Politiker mehr, die mit Geldkoffern auf Autobahnraststätten unterwegs sind. Und da dachte ich: Hm, vielleicht ist genau dieser letzte Punkt dabei nicht zu verachten ... vielleicht wird es deswegen nie so weit kommen. Wie beim Profifußball. Vielleicht ist's für manche Leute gar nicht so schlecht, wenn's keinen wasserdichten TV-Beweis von strittigen Szenen gibt. Wer ist noch mal genau gegen dessen Einführung? Genau.

Das Geld ist längst virtualisiert. Währungen sind abstrakte Gebilde, die schon lange nicht mehr an echte Werte gekoppelt sind. Devisen-Deals sind Klicks oder Automatismen auf irgendwelchen Servern da draußen. Bargeld ist eine Lücke. Eine, die manche Leute gern ausnutzen wollen. Vielleicht genau diejenigen, die dann dem Verbraucher die Vorteile des Verschwinden des Bargeldes einbläuen und es lautstark propagieren.

Werden wir begeistert mitmachen?

2 Kommentare:

  1. Ich werde da auf jeden Fall NICHT mitmachen. Werde nicht ständig ein Handy mit mir herumschleppen, das geeignet ist, solche Zahlungen vorzunehmen. Ich mag Smartphones nicht.
    Überhaupt würde man - ehe man Bargeld komplett abschafft, zunächst mal auf sowas wie eine "biologische" Lösung warten müssen, denn für viele ältere Menschen ist so etwas völlig ausgeschlossen.

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  2. Mir macht diese Zukunftsvision auch große Bauchschmerzen, aus den von dir genannten Gründen. Obwohl ich durch und durch bequem bin. Allerdings wird unser Unwohlsein nichts daran ändern, dass es genauso kommen wird. Wenn die letzten 15 Jahre eins gezeigt haben, dann, dass sich convenience auf lange Sicht immer durchsetzt. So wird es auch beim bargeldlosen Zahlungsverkehr sein.

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