Montag, 11. November 2013

There and back again

Warum ich nach 14 Jahren das Apple-System verlasse?
  • Ich benutze inzwischen überwiegend Webservices. Google Docs, Calendar und Drive, Dropbox, Spotify, Pocket. Spiele sind auf meinem Steam-Account. Meine E-Books auf meinem Kindle-Account. Welches OS auf meinem Rechner drunterliegt, ist strunz - ich mache sowieso fast alles in Chrome.
  • Ich weiß, iCloud ist auch ein Webservice. Einer, der nervt. MobileMe hat mir massig Adressen zerschossen. iCloud wollte anfangs gar nicht funktionieren.
  • Mit Lion ging's mit OS X abwärts. Bis inklusive Snow Leopard war es das beste OS auf dem Planeten. Lion machte alles monochrom im Finder, heizte mein Macbook unnötig auf, wollte immer noch nicht das zweite Display vernünftig ansprechen.
  • Mavericks zeichnet den Weg vor. Mittelfristig wird OS X wie iOS 7 aussehen. Und sich wahrscheinlich auch so benutzen lassen. Große Desktop-Innovation erwarte ich nicht. Tim Cook betont, wie wichtig Mac OS ist und wie toll sich die beiden Sachen doch ergänzen. Eine relevante Rolle spielt aber nur noch iOS 7, Mac OS ist bald ein Relikt. So wie der iPod heute.
  • Die Apple Stores sind toll. Das Einkaufserlebnis ist absolut nobel. Ich will aber keine High-Five an die Verkäufer verteilen. Ich möchte nur meine Gadgets. Als Gravis noch ein hutzeliger Laden an der Galluswarte war (nein, nicht der neue dort, sondern der alte), hatte man noch das Gefühl, unter echten Fans zu sein. Da wurde Hightech noch mit schlechter Laune verkauft und niemand hat versucht, einem die hohen Preise schönzureden. Und keiner hat sich als Genie bezeichnet. Apples Erfolgsgeheimnis ist keines, sie verkaufen Lifestyle. Stört nicht, solange auch das Produkt tatsächlich der Konkurrenz überlegen ist, dann nimmt man das Image doch gern mit. Aber die Waage schlägt in meinen Augen langsam in die falsche Richtung aus.
  • Manche alteingesessene Apple-User stören sich daran, dass inzwischen jeder Humpfel mit einem iPhone rumläuft oder einem Macbook im Café sitzt. Ist mir strunzegal. Wenn ich selbst mit einem Werkzeug rundum zufrieden bin, wird es doch nicht schlechter, nur weil alle damit fuhrwerken. Im Gegenteil, vor 10 Jahren wurden wir doch nicht müde, die Vorzüge der Apfelgeräte zu preisen. Aber ist Apple wirklich noch überlegen? Nein. Definitiv nicht. Es ist ja nicht so, dass Windows 8 so kolossal viel besser wäre - in meinen Augen ist es einfach nicht mehr kolossal viel schlechter als früher. Und das reicht schon. Lustigerweise stören sich gerade die alteingesessenen Windows-User am neuen Kachel-Look und verbrämen den Desktop nostalgisch. Was auch nur beweist, dass die User aller Lager bekloppt sind. Ich mag die Kacheln.
  • Ich glaube Cook, wenn er sagt, dass Apple unglaublich viel R&D betreibt und dass sie jedes Detail beleuchten, bevor sie eine Entscheidung treffen. Und er macht sich lustig über die anderen, die so planlos sind und einfach tausend verschiedene Modelle auf den Markt werfen. Das geht aus Kundensicht so lange gut, wie man mit Apple auf einer Linie liegt. Man will kein Smartphone über 4 Zoll? Kein Einsteiger-Notebook mit 13 Zoll für unter 1.000 Euro? Kein Profi-Gerät mit leichter Erweiterung aller Komponenten? Prima - dann fährt man mit Apple super. Aber wer irgendwas anders haben will, guckt in die Röhre. Oder tauscht Bequemlichkeit gegen das Angebots-Chaos in der Windows- und Android-Welt und flucht ab und an über Inkompatibilität.
  • Steve Jobs ist immer noch tot. Sicher liegt es daran, dass ich zur zweiten Jobs-Ära begeistert zu Apple gewechselt bin und nun das Gefühl habe, dass sie vorbei ist. Jony Ive ist kein zweiter Jobs. Cook sowieso nicht. Apple wird bei diesen Umsatzzahlen auf Jahre im eigenen Saft schmoren und von rechts überholt werden. Und auch wenn's im Moment nicht wahrscheinlich aussieht - ich könnte mir vorstellen, dass es sich um Chrome handelt. Zwei spannende Gerüchte gibt es derzeit: Microsoft könnte Windows RT und Windows Phone 8 verschmelzen. Plötzlich wären beide Plattformen viel spannender. Google koppelt immer mehr Features von Android ab und bringt sie in den Google Play Services unter, das Open-Source-Android wird für Google dadurch immer irrelevanter. Könnte Chrome OS vielleicht mittelfristig Android als wichtiges Google-OS auf ALLEN Plattformen ablösen und Android von Samsung geforkt werden? Spannend. Und für Apple komplett irrelevant, die machen weiter ihr Ding. Und sie werden damit noch viele Jahre Erfolg haben und auch den wichtigsten App Store haben. Dabei wird gern vergessen, dass der App Store erst mit iOS 2 kam und das erste iPhone Web Apps nutzen sollte und zwar genau wie ... Chrome OS. Ach, und dann ist da ja noch das Steam OS ...
Ich habe nichts gegen Apple-User. Einige meiner besten Freunde sind Apple-User. Aber 14 Jahre uneingeschränkte Loyalität sind genug. Ich habe ruckelige Livestreams der Macworld-Keynotes bejubelt und aller Welt erklärt, dass ein G3 einfach besser als Intel ist, obwohl die Taktfrequenz niedriger ist. Ich habe die Puck-Maus nicht nur verteidigt, sondern tatsächlich benutzt. Ich habe drei verschiedene iMacs besessen, zwei Macbooks, zwei iBooks, zwei iPhones, drei iPods und zwei iPads.
Ich muss etwas verändern.
Jetzt tut es einfach gut, ein Notebook zu kaufen, das in einem einfachen Pappkarton ausgeliefert wird, schwarz und schnörkellos ist und mich nicht verzaubern will. Ein Gerät, das mit den Knöcheln knackt, die Kippe in den Kaffee wirft und sagt:
So, los jetzt. Wir haben keine Zeit zu verlieren. An die Arbeit.
Denn genau das habe ich vor.

7 Kommentare:

  1. "Jetzt tut es einfach gut, ein Notebook zu kaufen, das in einem einfachen Pappkarton ausgeliefert wird, schwarz und schnörkellos ist und mich nicht verzaubern will. Ein Gerät, das mit den Knöcheln knackt, die Kippe in den Kaffee wirft und sagt:
    So, los jetzt. Wir haben keine Zeit zu verlieren. An die Arbeit.
    Denn genau das habe ich vor."

    Wäre toll, wenn es das geben würde. Leider bin ich trotz sehr intensiver Tests weder in der Windows- noch in der ChromeOS-Welt fündig geworden. Nerven tun alle Betriebssysteme.

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    1. Das Chromebook erfüllt diese Voraussetzungen in meinen Augen derzeit am ehesten. Quasi keine Boot-Zeit, keine Viren, kein Setup. Natürlich auch keine Software jenseits von Browserlösungen. Mein letztes Buch hab ich fast vollständig auf dem Samsung-Chromebook geschrieben - aber das ist sicher ein individuelles und psychologisches Ding, keine Lösung für alle Nutzungsszenarien.

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  2. Hm, ich weiß jetzt nicht, was ich von dem Statement halten soll bzw. was Sie damit nach außen bezwecken wollen. Sie haben jahrelang bestimmte Produkte einer bestimmten Firma gekauft und benutzt und sehen sich jetzt nach etwas anderem um. Dazu sage ich nur frech "Ja, und?". Denken Sie, dass Apple Ihnen eine Träne nachweinen wird? Oder dass Sie vom Hersteller des neuen Geräts mit einem Blumenstrauß begrüßt werden? Sie und ich, wir sind Konsumenten wie alle anderen auch. Mehr ist da nicht. Es gibt keinen Grund, den Kauf von irgendwas irgendwem gegenüber zu "verteidigen".

    Es ist doch so: Es hat Sie ja keiner zu dieser jahrelangen Loyalität gezwungen, denn die - in ihren Augen neue - "Freiheit" sich zu verändern, hatten Sie doch immer. Oder etwa nicht? Klar verlassen Sie jetzt das "Apple-System", aber dafür treten Sie in ein anderes ein. Warum sollte man darüber Aufhebens machen? Das Gras ist auf der anderen Seite des Zauns genauso grün wie auf der eigenen.

    Dabei haben Sie bereits erkannt, dass es egal ist: "Welches OS auf meinem Rechner drunterliegt, ist strunz - ich mache sowieso fast alles in Chrome." Na, dann installieren Sie Ubuntu und gut ist.

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    1. Bezweckt wird gar nichts mit meinem Kommentar. Reine Lust am Umgang mit Technik und den Äußerungen dazu. Ich bin sicher, da draußen gibt es auch Foren von Autofahrern, die seitenweise schreiben, welche Marken sie benutzen - und warum und wie sie umsteigen. ;) (Ich habe eine Zeitlang in Marathonforen mitgelesen. Es gibt Leute, die ENDLOSE Laufberichte schreiben, wie sie den letzten Marathon erlebt haben. Minutiös. Und dann auf Platz 7.000 von 9.000 landen. Was bezwecken die damit? :D)

      Apple interessiert sich nicht für mich, klar. Die anderen Firmen genauso wenig, ich bin nur ein hutzliger, irrelevanter Kunde (oder Werbefläche, je nachdem). Nur ist die Loyalität zu Apple eine andere als zu Asus, Acer oder Lenovo. Das hat historische Gründe, sicher, aber liegt vor allem daran, dass man als Apple-User vor 10 oder 15 Jahren eine ganz andere Loyalität hatte. Für nicht wenige von Windows geschädigte User (deren technisches Verständnis nicht so weit geht, eine eigene Linux-Distro zu kompilieren) war der Wechsel zu Apple eine echte Offenbarung. Die Loyalität, die da rauskam, ist eine andere Liga. Auch bei mir.

      Spannend ist inzwischen in meinen Augen auch, wie stark man in einem digitialen Ökosystem verwurzelt ist. Vor ein paar Jahren war für viele Leute der Wechsel zu Apple unvorstellbar wegen der ganzen Windows-Programme, die sie hatten. Jetzt hört man schon: Ach, ich ab meine ganze Musik bei iTunes und auch so viele Sachen im App Store gekauft, da wäre mir der Wechsel zu aufwändig. Der erste iPod war noch nicht mal mit Windows kompatibel - Wahnsinn.

      Außerdem hatte ich wochenlang keinen Blogeintrag geschrieben. Und auch sonst ist nicht viel passiert, worüber ich Aufhebens machen konnte. Also ... ;)

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  3. Das mit dem "digitalen Ökosystem" ist ein interessanter Punkt. Ich nenne das meine "digitale Komfortzone", die - zumindest bei mir - zunehmend unabhängiger von Marken und Herstellern wird. Als Konsument kann ich mittlerweile ja Cherry-picking-deluxe betreiben, weil alles über der direkten Eingabe"ebene" sowieso online miteinander verbunden ist. Also suche ich mir die Anwendungen und Betriebssysteme heraus, die für die jeweilige Aufgabe am besten geeignet sind.

    Denn Loyalität erhält von mir nur der, der gute Produkte abliefert. Sobald das nicht mehr der Fall ist, bin ich weg. Warum soll ich mir das Leben unnötig schwermachen?

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